Hundewissen A-Z

Leinenführigkeit

Hunde müssen an der Leine gehen. Das ist für uns Europäer ein ziemlich normales und fixes Bild im Kopf. In Deutschland herrscht fast überall Leinenzwang und die Leine ist eines der ersten Hilfsmittel, die einem einfallen, wenn wir über Hunde sprechen.

Podcast-Folge

L wie Leinenführigkeit

Die zwei wichtigsten Verhaltensweisen, die dein Hund können muss: Zurückkommen und locker an der Leine gehen. Und zumindest was die Leinenführigkeit betrifft, die am häufigsten falsch trainierten und falsch verstandenen Verhaltensweisen.
Ich sage: Leine dran = Gehirn an!

Was sagst du? 😉

Eigentlich traurig, wenn man genauer darüber nachdenkt. Denn eigentlich ist eine Leine ein Symbol für „aneinander gekettet sein“, fehlende Kontrolle, fehlendes Vertrauen und eher Zwang. Denn braucht man eine Leine nicht vor allem, um den Hund daran zu hindern, von einem weg zu gehen? Will man nicht, dass der Hund genauso gern mit mir zusammenlebt, wie ich mit ihm, was wiederum bedeutet, dass er nicht weg will?

In der besten aller Welten ist das so. Und der Hund hätte Raum und Platz, um sich genauso frei zu entfalten, wie wir. Er lebt sein Hundeleben mit mir und entscheidet sich freiwillig dazu.

Hier bei uns ist diesbezüglich aber nicht die Beste aller Welten, sondern die Welt, in der wir Menschen entscheiden, welcher Hund bei uns zu leben hat. In der der Hund sich an unser Leben anzupassen hat, sich zurücknehmen muss, sein Hundeverhalten massiv einschränken muss.

Jetzt kann man sich fragen, ob dieses Zusammenleben wirklich sinnvoll ist, aber das ist eine andere philosophische Frage.

An der Leine laufen ist anstrengend

Laufen an der Leine ist für Hunde ein immenser Kompromiss. Die Leine verhindert, dass sie ihre normale Laufgeschwindigkeit nutzen können. Normalerweise laufen Hunde viel im Trab. An der Leine ist das kaum möglich. Um sich dem langsamen Tempo des Menschen anzupassen, beginnen Hunde deshalb oft im Passgang zu gehen. Sie setzen Vorder- und Hinterpfote nicht versetzt, sondern gehen zeitlich mit linkem Vorder- und Hinterbein alternierend zur zeitgleichen Bewegung von rechtem Vorder- und Hinterbein. Langfristig hat das durchaus Auswirkungen auf Knochen und Gelenke, weshalb man schon hier aufpassen muss, dass die Laufweise nicht überhand nicht.

Je jünger oder aufgeregter Hunde sind, desto mehr werden sie durch die Leine eingeschränkt. Sie geraten immer wieder an das Ende der Leine und straffen sie so. Hund und Mensch gewöhnen sich dadurch an die straffe Leine. Das führt zu Leinenrucken, die für beide gesundheitlich bedenklich sind und zu überraschenden und gefährlichen Situationen, wenn der Hund plötzlich einspringt.

An der Leine zu laufen bedeutet zudem eine starke Einschränkung der Kommunikationsmöglichkeiten. Hunde kommunizieren mit ihrem Körper. An der Leine, vor allem, wenn diese gestrafft ist, entstehen völlig andere optische Eindrücke auf das Gegenüber, was zu Missverständnissen führen kann. Der Hund kann in Begegnungen nicht ausweichen, was er ohne Leine tun würde und wird oft in Situationen gezwungen, denen er nicht gewachsen ist.

Alles in Allem erfordert das Gehen an der Leine vom Hund enorme Impulskontrolle.

Üben in kleinen Schritten

Deshalb muss diese Fähigkeit in kleinen Schritten gelernt werden. Je aufgeregter/jünger dein Hund ist, desto schwieriger ist es für ihn und desto kleiner müssen deine Trainingsschritte sein. Fordere immer nur so viel, wie dein Hund schaffen kann und arbeite dich Schritt für Schritt an dein Ziel heran.

Das kannst du beispielsweise tun, indem du deinem Hund zeigst, wann er sich zurücknehmen muss (Leine am Halsband) und wann du nicht ganz so konsequent bist (Leine am Geschirr).  Am Halsband wird dein Hund keinen Erfolg haben, wenn er Zug auf die Leine bringt. Ob durch Stehenbleiben, Rückwärts gehen oder vorheriges präventives Verhindern und Belohnen der Aufmerksamkeit hängt von Hund und Situation ab.

Die Leine kann auch toll sein!

Da unsere Hunde so in unsere Gesellschaft gepresst werden müssen, müssen sie fast immer auch die Leine kennenlernen. Unsere Aufgabe ist es also, das negative Symbolbild der Leine als Zwangsmittel zu verändern und zu einer Verbindung aufzubauen. Die Leine kann auch Hilfestellung geben, eine Absicherung für den Hund bedeuten und Sicherheit ermöglichen.

Wie können wir also die ganzen Nachteile des Gehens an der Leine reduzieren, um den Vorteil der Sicherheit und Kontrolle zu nutzen?

1. Die Leine für den Hund zu etwas Schönem machen

Gestalte das Laufen an der Leine für deinen Hund so, dass er sie als etwas Schönes kennenlernt. Ist die Leine dran, bekommt er Aufmerksamkeit, es wird gemeinsam gespielt, es gibt Leckerchen und wir gehen gemeinsam.

2. Gib deinem Hund Raum

Deine Leine sollte mindestens 3 m lang sein, damit dein Hund Raum zum Schnüffeln hat. Du selbst kannst aktiv die Leine lockern, wenn du siehst, dass dein Hund zum Baum nebendran möchte. Weshalb auch nicht? Achte darauf, wann dein Hund sich wie lange zurücknehmen kann und finde Kompromisse für euch beide.

3. Mach einen klaren Unterschied zwischen Spazierengehen an der Leine und aufmerksam gehen

Beim Spazierengehen darf der Hund im Radius der Leine tun, was er möchte. Du gehst auf ihn ein und wartest auch mal, wenn er schnüffeln will. Dafür ist der Spaziergang ja da. Soll er über die Straße mit dir gehen oder eine Strecke ohne Schnüffeln an deiner Seite bleiben, trainiere eine Unterscheidung. Am Halsband beispielsweise muss er aufmerksam bei dir laufen. Am Geschirr darf er auch Hundedinge tun.

4. Trainiere das aktive Leinenlockern

Kommt Zug auf die Leine, egal ob durch dich oder deinen Hund, wird dein Hund automatisch mit Gegenzug reagieren. Das kann man durch Training abmildern. Übe mit deinem Hund, dass er selbst aktiv die Leine lockert, wenn sie mal straff ist. Das kannst du tun, indem du bspw. Beginnst, langsam immer stärker an der Leine zu ziehen bis dein Hund nachgibt. Diesen Moment belohnst du sofort und wiederholst die Übung. Wenn du den richtigen Moment belohnt hast, wird dein Hund beim vierten Mal schon selbst dem Zug nachgeben und er hat eine Idee bekommen.

Achte im Alltag selbst darauf, dass auch du die Leine locker hältst oder sofort wieder lockerst. Lernt dein Hund nämlich, dass er sich in die Leine hängen kann, ist auch sein Kopf ganz woanders als bei dir. Musst du deinen Hund mit der Leine stoppen, lockere sie sofort wieder und halte sie dann eventuell wieder fest. Achte darauf, dass die Leine nie längere Zeit straff ist, damit ihr beide euch nicht daran gewöhnt. Dein Hund muss selbst auf seinen vier Beinen stehen. Nur dann ist er auch ansprechbar.

5. Übe das Miteinander

Ist die Leine zwischen deinem Hund und dir, heißt das nicht, dass ihr beide den Kopf ausschalten könnt. Genau das Gegenteil ist der Fall: jetzt arbeitet ihr miteinander. Lies deinen Hund und achte darauf, was er gleich möchte. Jetzt kannst du ihm beibringen, bei dir nachzufragen statt sich in die Leine zu hängen. Das Ziel ist, dass er lernt, er kommt nur mit dir an sein Ziel. Möchte er also zum Baum in 5 Meter Entfernung und kommt ans Leinenende, bleibst du stehen und stellst sich möglichst so hinter ihn, dass er dich nicht sieht. Warte jetzt, was er macht, wenn er merkt, dass er nicht zum Ziel kommt. Dreht er sich zu dir um? Super, dann geht ihr sofort gemeinsam zum Baum (Schnell, bevor die Leine wieder straff wird).

Dreht er sich noch nicht um, kannst du ihm einen Tipp geben und ihn einmal (!) anschnalzen oder ansprechen.

Nutz das immer dann, wenn dein Hund wohin möchte, was außerhalb seiner Reichweite liegt. So lernt er, dass er dich fragt statt zu versuchen, dich mit aller Kraft hinzuziehen.

Wenn im Alltag dann die Leine mal straff wird, wird er sich auch schnell wieder daran erinnern.

Leinenführigkeit ist ein Kompromiss

Leinenführigkeit bedeutet also nicht, dass dein Hund keine Hundedinge mehr tun darf an der Leine. Es heißt, dass er möglichst immer genug Hirnzellen frei hat, sich rasch wieder daran zu erinnern, dass ihr verbunden seid. So dass er dich fragen kann, wenn er etwas möchte, auf dich wartet, wenn du noch langsamer bist als sonst und sich an dir orientiert, wenn er nicht weg kann aus der Situation.

Denk daran, dass dein Hund nicht dein Sklave ist, sondern ein Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen, welches sich an unsere Regeln anpassen muss und sehr viel von seinem Naturell aufgeben muss, um uns zu gefallen. Also schließ Kompromisse und gesteh ihm kleine Freiheiten zu.

Was sind deine Gedanken zum Thema "Leinenführigkeit"?

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Ariane Ullrich

Ariane Ullrich ist Verhaltensbiologin, Initiatorin des Hundekongresses, Hundetrainerin, Hundetrainertrainerin, Autorin und Referentin.

1 Gedanke zu „Leinenführigkeit“

  1. Hallo Ariane,
    ich finde es traurig, wenn ich Hunde sehe, die nur dicht seitlich neben Herrchen oder Frauchen, sind aber eher Herrchen, laufen müssen. Meist hängt der Kopf nach unten, aber nicht zum Schnuppern. (Bei ganz alten Hunden ist das was anderes, wenn die nicht mehr gut gehen können, die meine ich nicht.)

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