Hundewissen A-Z

Rassen

Der Begriff der Rasse ist uns HundehalterInnen seit jeher geläufig und bisher wohl auch bei den wenigsten anstößig. Eine Hunderasse bezeichnet eine Gruppe von Hunden, die möglichst reinerbig zu einer direkten genetische Abstammungslinie gehören. Sie unterscheiden sich vom Aussehen von Hunden anderer Rasse und bringen Hunde gleichen Aussehens zur Welt.

Podcast-Folge

R wie Rassen

Rassen, Hunderassen… ein spannendes Thema im Hinblick auf die Qualzuchtdiskussion allerortens. Wir müssen über den Begriff reden und über unsere Verantwortung.
Im fünften Hundekongress ist das Thema dabei und ich hoffe, dass wir viele Hundehaltende erreichen können.

Rassen gibt es nur noch in der Tierzucht

In der Biologie wiederum wird der Begriff der Rasse mittlerweile nicht mehr genutzt. Es handelt sich in der biologischen Taxonomie (der Einteilung der Lebewesen in systematische Kategorien) hier um Unterarten, Subspezies etc.

Eine Rasse ist im Gegensatz zu einer Unterart eine menschengemachte Spezifikation, die zum Ziel hat, die Tiere einer Gruppe mit möglichst klar definierten, vorgegeben, beschriebenen und gleichen phänotypischen Merkmalen auszustatten (also gleichem Aussehen), was zu einer großen genetischen Ähnlichkeit führt.

Um das zu erreichen haben Menschen gezielt auf Aussehen selektiert. Diese Selektion, auch Rassezucht genannt, führte jedoch dazu, dass die genetische Vielfalt extrem eingeschränkt wurde. Je genauer die Vorstellungen zum Aussehen und je weniger Abweichungen erlaubt wurden, desto weniger Tiere blieben am Ende für die Zucht.

Mit dem Wissen um die Genetik war das Ziel der Reinerbigkeit der nächste große Schritt hin zu einer Rasse, die dem Menschen gefällt mit der Problematik von Inzucht und fehlender genetischer Variabilität.

Die Rassentheorie beim Menschen als Ursprung für Tierzucht?

Der damalige Gedanken leitete sich eventuell aus der damals aktuellen Rassentheorie beim Menschen ab. Auch hier wurde unterstellt, dass Menschen, die sich vom Aussehen ähneln, auch genetisch ähnlich sind. Dies ist mittlerweile widerlegt und man weiß, dass der genetische Unterschied zwischen Menschen mit ähnlichem Aussehen zum Teil größer ist, als der genetische Unterschied zwischen Menschen mit verschiedenem Aussehen.

Allerdings ist dieses Wissen noch nicht bei allen Menschen angekommen, was dazu führt, dass Hundezucht oft mit der menschlichen Rassentheorie begründet wird.

Dass, was wir also beim Menschen angenommen haben, haben wir versucht beim Hund gezielt zu erreichen. Im 19. Jahrhundert wurden die ersten offiziellen Zuchtbücher geöffnet und recht bald auch wieder geschlossen, um eine möglichst „reine“ Rasse zu kreieren. Diese sind tatsächlich bis heute in unseren Köpfen mit Reinheit, Qualität und hoher Wertigkeit verknüpft.

Die Probleme heutiger Rassezucht

Momentan gibt es über 800 Hunderassen, von denen 367 Rassen vom größten kynologischen Dachverband (FCI) weltweit anerkannt sind.

Die meisten von ihnen werden nach klaren phänotypische Vorgaben gezüchtet. Nur wenige, oft auch eher in Dissidenzvereinen beheimatete Rassen achten beim Verpaaren vorwiegend auf Verhaltensmerkmale. Dies gilt in den meisten Fällen für Hunde, die auch heute noch zur Arbeit eingesetzt werden wie bestimmte Jagdhunderassen oder Hütehunde.

Das Problem, was sich im Laufe dieser  durch den Menschen vorgegebenen Ziele bis heute gezeigt hat, ist die erhöhte Auftretenswahrscheinlichkeit von Mutationen, die zu Leiden und Schäden beim Tier führen.

Während in einer Population, in der die genetische Vielfalt hoch ist, problematische Gene nicht überhandnehmen können und viele Alternativen haben, existieren diese bei den heutigen Rassezuchten kaum noch. Problematische Gene sind zudem oftmals mit Merkmalen verknüpft, die der Menschen gezielt züchten möchte. Dr. Achim Gruber hat es im Interview im fünften Hundekongress sehr eindrücklich gezeigt. Die kurzen Beine des Dackels sind genetisch verbunden mit der Querschnittslähmung. Entsprechend oft tritt diese Problematik beim Dackel auf.

Viele weitere Merkmale, die dem Menschen rein äußerlich gefallen, sind auf diese Weise mit hochproblematischen Gesundheitseinschränkungen verknüpft.

Unsere Hunderassen haben in nur wenigen Jahrzehnten einen genetischen Flaschenhals durchlaufen, der zu vielen gesundheitlichen Problemen geführt hat.

Rassezucht kritisch hinterfragen

Während wir beim Menschen den Rassebegriff vor allem auch wegen der Gräueltaten während des Kolonialismus und der Nazizeit mittlerweile abgeschafft haben, sind die zugrundeliegenden Gedanken in der Tierzucht noch vorhanden.

Es ist also Zeit, auch hier kritisch zu hinterfragen, was wir getan haben. Wir müssen durchdenken, welchen Wert Hunderassen in unserer Gesellschaft haben und wo unsere Prioritäten liegen.

Wir müssen unsere Vorlieben bezüglich des Aussehens hinterfragen und die Gründe für das Zusammenleben und -arbeiten mit Hunden diskutieren.

Wir müssen unser heutiges Wissen nutzen, um Verantwortung zu übernehmen für die Lebewesen, die wir zu uns geholt, angepasst, genetisch verändert und in unsere Wunschvorstellung gepresst haben.

Wir müssen aus unseren Fehlern lernen und eine Entscheidung treffen, wie mit den heute vorhandenen Hunderassen umzugehen ist.

Ein wichtiger Schritt voran ist die Livediskussion im fünften Hundekongress mit den Experten zu Rassezucht bei Hunden.

Es wird keine optimale und schon gar keine einfache Lösung geben. Aber der erste Schritt ist getan und es wird Zeit, miteinander zu sprechen und Machbares sinnvoll im Sinne unserer Hunde umzusetzen.

Rassen im Hundekongress

In folgenden Beiträgen geht es im Hundekongress um Qualzucht:

Was sind deine Gedanken zum Thema "Rassen"?

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Ariane Ullrich

Ariane Ullrich ist Verhaltensbiologin, Initiatorin des Hundekongresses, Hundetrainerin, Hundetrainertrainerin, Autorin und Referentin.

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